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Prof. Hans Ziegler - Erinnerungen

Erinnerungen, Anekdoten und Bilder

Die Errinnerungen auf dieser Seite stammen von Bekannten, Freunden und Verwandten von Hans Ziegler. Sie zeichnen ein differenziertes Bild vom Menschen Hans Ziegler im privaten, sowie im Schulalltag. Bitte schalten Sie um auf Englisch (EN), um weitere Beiträge in Englisch zu lesen.

Fluchtwege aus der Vorlesung von Jürg Nänni

Vorlesung
H. Z. zeigte leider keinen ausgesprochenen Humor in seinen Grundlagenvorlesungen. Er sprach stets mit todernster Miene. Die Stimmung erinnerte an eine Abdankung. Die Zuspätkommenden haben ihn mit den Jahren so sehr genervt, dass ich als Vorlesungsassistent die Türen zum Auditorium nach Vorlesungsbeginn auf seinen Befehl hin schliessen musste. Die Feuerpolizei hat nach einiger Zeit bei mir reklamiert und ich musste H.Z. anschliessend auf möglichst diplomatische Art und Weise beibringen, dass die Fluchtwege stets offen bleiben müssen. Ich habe später den Konflikt so gelöst, dass ich die notorischen unpünktlichen Typen bis zur Pause ins Kaffe geschickt habe. Die Griechen beispielsweise musste man kaum dazu überreden.

Ein Lehr- und Lerntipp von Hans Ziegler von Hugo Bachmann, Prof. em. ETH, Dr. sc. techn., Dr. h.c

Professor Hans Ziegler verdanke ich viel. In seinen Mechanikvorlesungen für Ingenieure, Physiker und Mathematiker in der Mitte der 1950er Jahre hat er uns Studenten fundamentale Einsichten und ein tieferes Verständnis von grundlegenden Zusammenhängen sowie entsprechende Fähigkeiten vermittelt, wovon ich sozusagen ein Leben lang zehrte und profitierte. Ziegler kam immer sehr pünktlich und sehr gut vorbereitet in seine Vorlesungen. Damals war es noch üblich, dass die Studenten die Professoren, wenn sie im Auditorium des Hauptgebäudes der ETH erschienen, mit einem kurzen aber deutlichen Applaus begrüssten, indem sie mit der rechten Faust – Finger nach unten – auf den Pultdeckel hämmerten und mit den Füssen auf den hohlen Holzboden trommelten, beides gleichzeitig etwa 5 bis 8 mal und mit einer Frequenz von rund 3 Hertz. Das taten wir bei Professor Ziegler besonders gerne, denn er hatte für jede Stunde ein klares Konzept und Lernziel, und er war immer sehr gut vorbereitet – wir spürten oder erahnten zumindest die hohe Qualität des Kommenden und waren dankbar dafür. Seine erste Handlung war stets, die beiden langen, in der Höhe übereinander verschiebbaren Wandtafeln mittels vertikaler Kreidestriche in je vier gleich grosse Felder einzuteilen. Diese füllten sich im Laufe der Lektion kontinuierlich. Und wenn dann Ziegler im letzten Feld die unterste Zeile fertig geschrieben und gut hörbar den entsprechenden Punkt gesetzt hatte – läutete es, das heisst, es ertönte im ganzen Gebäude das übliche Klingelzeichen zum Schluss der Stunde bzw. der Lektionen. Nein, es war natürlich umgekehrt: Prof. Ziegler war derart präzis und diszipliniert, und die ganze Lektion war so gut geplant, dass er den Punkt nach dem letzten Satz einige Sekunden vor dem Läuten setzte, dem offiziellen Ende der Lektion. Das war aber «nur» der didaktische Rahmen. Noch wichtiger als das genaue Einhalten der vorgegebenen Zeit war bei Ziegler die klare Definition und konsequente Verwendung aller wesentlichen Begriffe. Das – unausgesprochene – Credo war: Bewusst Begriffe wählen, ihnen einen klar definierten Inhalt geben und sie dann stur verwenden – also nie und nimmer beispielsweise Synonyme gebrauchen. Bei Ziegler war jede Stunde sowohl eine didaktische als auch inhaltliche Meisterleistung. Seine Vorlesungen waren – wie auch seine berühmten Bücher – sozusagen kristallklar und transparent und durchwirkt vom Licht der Erkenntnis!

In meiner späteren Tätigkeit als ETH-Professor war mir Prof. Ziegler in didaktischer Hinsicht ein stets leuchtendes Vorbild. Natürlich erreichte ich in meinen Vorlesungen nie dessen Klarheit und Transparenz. Aber Hans Ziegler verdanke ich noch etwas ganz Anderes, noch viel Wichtigeres. Fast anderthalb Jahrzehnte nach dem «Genuss» der Mechanikvorlesungen wurde ich – nach Lehr- und Wanderjahren als praktischer Ingenieur und Unternehmer sowie einer glückhaft gelungenen und weit herum bekannt gewordenen Dissertation – im Alter von erst 34 Jahren als Assistenzprofessor für Massivbau an die ETH berufen. Damit wurde ich zum Junior-Kollegen meines verehrten Lehrers. Und ich empfand es als grosse Ehre, dass er mir nach einiger Zeit das »Du» antrug. Dann diskutierten wir mal zusammen über die Notwendigkeit des ständigen und lebenslangen Lernens der Professoren und über die Möglichkeit, allenfalls auch neue Lehr- und Forschungsgebiete anzupacken. Dabei sagte Hans Ziegler in seiner bekannten, direkten Art zu mir: «Wenn Du etwas wirklich Neues lernen willst, musst Du einfach eine Vorlesung ankündigen über ein Thema, das Dich interessiert, von dem Du aber noch nichts weisst. Dann weißt Du, was Du zu tun hast!»

Damals mussten die Professoren ein halbes Jahr vor Beginn jedes Semesters die Titel ihrer beabsichtigten Vorlesungen in einen Fragebogen des Rektorates eintragen. In den 1970er Jahren kamen – vorerst vereinzelt aber schliesslich immer mehr – Fragen zum Schwingungs- und Erdbebenverhalten und der entsprechenden Bemessung von Bau- und Tragwerken aus der Praxis an die ETH. Meine durchwegs älteren Professorenkollegen im Institut für Baustatik und Konstruktion waren aber schon stark mit anderweitigen Verpflichtungen belegt. Ich verstand zwar von diesen Dingen noch kaum etwas, doch interessierten mich die kniffligen Fragen, bei denen man sozusagen in der Praxis nicht mehr weiter wusste; und ich sah dabei auch die Chance, Neues zu lernen, in ein noch wenig entwickeltes Wissenschaftsgebiet einzusteigen und mitzuhelfen, dieses voranzutreiben. Und da war der Ratschlag von Kollege Ziegler – in einem geistigen Sinne natürlich – Gold wert und eine ganz tolle Ermutigung. Im Herbst 1978 schrieb ich auf den Fragebogen des Rektorats betreffend die Vorlesungen des kommenden Sommersemesters die drei Wörter «Erdbebensicherung von Bauwerken», mit 2V und 1U, also 2 Wochenstunden Vorlesung und 1Wochenstunde Übungen. Und da wusste ich wirklich, was ich in dem noch zur Verfügung stehenden, knappen halben Jahr zu tun hatte – es gab ein unglaubliches Tag- und vor allem Nacht-Rennen gegen die Zeit. Später kam die Vorlesung «Schwingungsprobleme bei Bauwerken» dazu, und mit Hilfe von zahlreichen, hervorragenden Mitarbeitern und Doktoranden war es mir schliesslich vergönnt, das Wissenschaftsgebiet Baudynamik und Erdbebeningenieurwesen in Lehre und Forschung an der ETH zu schöner Blüte und schliesslich weltweiter Ausstrahlung zu entwickeln. Ohne den «frechen» Ratschlag des hervorragenden väterlichen Kollegen hätte ich den Mut dazu nicht gehabt. Hans Ziegler sei grosser Dank!

Mündliche Prüfungen bei Hans Ziegler von Jürg Nänni

In den Siebzigerjahren kursierte eine Karikatur mit Hans Ziegler, seine Bürotüre öffnend und in den Gang der ETH brüllend: «Der Nächste bitte!» Gleichzeitig wurde der vorher Geprüfte von zwei Krankenpflegern auf einer Bare aus dem Prüfungszimmer getragen. Si non é vero, é bene trovato. So schlimm waren Hans Zieglers Prüfungen in der Tat nicht. Wer seine Vorlesungen seriös durchgearbeitet hatte und seine Übungen lösen konnte, erhielt die Note 6 oder mindestens 5.5. Während vielen Jahren war ich sein Prüfungsassistent und erinnere mich an die Abläufe sehr genau: Hans sass, mit dem Zwicker auf seiner Nase, an seinem Pult, betrachtete die Karteikarte mit den Erfahrungsnoten des eintretenden Kandidaten. Bemerkungen zur Karteikarte: In den wöchentlichen Übungen wurden die Studierenden von den Assistenten und wahlweise auch vom Chef persönlich bewertet; Hans benützte für seine Bewertungen stets denselben Geheimcode: Alpha für eine Eins, Beta für eine Zwei, Gamma für eine Drei, usw. Die Resultate wurden nach jeder Übung in die Karteikarten übertragen. Die Rückseiten enthielten die Vordiplom- und die Diplomnoten und bisweilen persönliche positive oder negative Bemerkungen des Chefs. Diese Karten waren für viele Fabrikdirektoren und Unternehmer, welche diplomierte Ingenieure der ETH anstellen wollten, von grossem Nutzen. Hans Ziegler wurde sehr oft um Rat gefragt. Ein Beispiel: Der damalige Forschungschef der ABB, Ambrosius Speiser, fragte Hans telefonisch, ob er den Bewerber XY oder den YZ anstellen soll. «Jürg, geh schnell zum Archiv und hole die Karten («Fichen») von XY und YZ.» Nach wenigen Sekunden folgte die Empfehlung von Hans: «Ambrosius, den XY kannst Du ohne Bedenken anstellen, YZ hingegen kommt nicht in Frage.
Mündliche Prüfungen
Zurück zum Prüfungsablauf: Hans fragte den Eintretenden sofort nach seinem Namen, um Verwechslungen auszuschliessen. Anschliessend stellte er die erste Frage, überliess dem Kandidaten die leere Tafel und eine weisse Kreide, mit der Aufforderung, den Lösungsweg zu skizzieren. Hans starrte, den Kopf mit beiden Händen gestützt, auf seine Papiere und wartete auf das typische Geräusch der Kreide. Oft herrschte jedoch Totenstille und die Tafel blieb leer. Nach drei Minuten stellte Hans die zweite Frage mit «säuerlich» klingendem Ton und starrte dem Kandidaten wortlos in die Augen. Falls wieder nichts passierte, folgte die dritte, dann die vierte und schliesslich eine sehr leicht zu beantwortende letzte Frage. Die Prüfungsnote war das gerundete arithmetische Mittel der fünf Einzelbewertungen. Fünfmal «nichts geschrieben» wurde mit der Note 1 quittiert. Sobald ein gut vorbereiteter Kandidat jedoch eine Lösung zu entwickeln begann, wurde er mit hilfreichen Zwischenfragen sofort unterstützt. Kleine, unbedeutende Fehler übersah Hans grosszügig oder korrigierte sie mit sanfter Stimme, beispielsweise: «In der zweiten Zeile haben sie einen Faktor übersehen» oder «überprüfen Sie die Einheiten in der letzten Zeile, etwas stimmt da noch nicht ganz …». Harmlose kleine Zwischenfälle hatten keinen Einfluss auf die Bewertung. Grobe Verstösse gegen die Logik jedoch machten Hans wütend, seine Stimme wurde laut und manchmal wurde der vertatterte und errötete Kandidat mit barschen Worten zum Verlassen seines Zimmers aufgefordert. Hans hasste den Dialog mit unintelligenten oder unvorbereiteten Studenten. Einige Jahre vor seiner Pensionierung durfte ich die Prüfungsfragen stellen. Da unsere Bewertungen, von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen, übereinstimmten, übergab mir Hans diesen nervenaufreibenden Job, um sich vermehrt seinen geliebten Forschungsarbeiten zuzuwenden. Ich war ja noch jung und hatte Nerven wie Drahtseile. Das mündliche Prüfen machte mir sogar Spass, insbesondere dann, wenn die Studierenden den Prüfungsstoff einigermassen beherrschten. Mich faszinierten alle kreativen Einfälle, selbst wenn sie in eine Sackgasse führten. Die Note 1 musste ich, nachdem sich Hans nicht mehr um die Prüfungen kümmerte, nie mehr austeilen, denn meine fünfte Frage lautete nach vier missglückten Antworten: «Welches Problem möchten sie denn gern lösen?» Auch die Note 2 wurde nur noch in extremen Ausnahmefällen gesetzt. Eine Schlussbemerkung: Der mit Abstand begabteste und kreativste Professor meiner Fachhochschule hatte damals das Vordiplom an der ETH nicht bestanden – angeblich wegen einem miserablen Resultat in der mündlichen Prüfung bei Hans Ziegler. Dieser erfolgreiche Professor für Maschinenbau schätzt inzwischen die Arbeiten von Hans sehr. Er sagt heute: «Damals hatte ich Angst vor ihm, er war ein Übermensch, unnahbar und ausserdem bin ich kein Prüfungstyp; in 15 Minuten konnte ich damals meine Gedanken nicht aussprechen, ich hatte eine Blockade. In Stresssituationen konnte ich als junger Student keinen vernünftigen Satz ausspucken. Diese Geschichte würde ich heute sehr gerne Hans erzählen. Ich kenne seine Reaktion: Nach einem Glas Martini würde er lachend zu mir sagen: «Nobody is perfect.»

Vektoren und Tensoren von Hans Brauchli

Hans Ziegler war ein sehr gestrenger, aber gerechter Vorgesetzter. Wir Assistenten waren damals alle – inklusive Sekretärin – in einem Grossraumbüro. Damit wir uns nicht zu sehr auf die Nerven gingen, hatte jeder seine «Präsenszeit», d.h. wir waren sehr frei. Einmal in der Woche hatten wir eine Sitzung mit Hans Ziegler, um Organisatorisches wie auch Fachliches zu besprechen. Ich hatte dabei immer ein mulmiges Gefühl im Magen, weil ich meine Pflichten – wie Korrigieren der Uebungsaufgaben – oft sehr mangelhaft erfüllt hatte. Einmal kam Hans Ziegler mit einem Lächeln auf den Stockzähnen an diese Sitzung (er war ja immer sehr verschlossen, ganz im Gegensatz zu seinem Verhalten an einer Einladung zu Hause in Rüschlikon, wo er immer ausserordentlich liebenswürdig und gastfreundlich war). Er hat uns dann mitgeteilt, er hätte einen Brief bekommen von einem Kollegen aus Aachen. Den Namen hat er nicht genannt. Dieser Kollege hätte ihn um Unterstützung gebeten, dafür zu sorgen, dass man in der Mechanik Vektoren und Tensoren abschaffen möge: die seien mühsam und auch überflüssig. Natürlich haben wir alle von Herzen gelacht. Ich war dann fest überzeugt, dass die Hochschule von Aachen offenbar miserabel sein musste. Es hat Jahrzehnte gedauert, bis ich dieses Urteil revidiert habe.

Skiferien mit Assistenten von Jürg Nänni

Das Klavierstück zu diesem Film spielte Hans Ziegler mit seinem Enkel Donat (8 Jahre).

Hans und Erika führten mehere Skiferien mit den Assistenten und deren Familien durch.
Das waren für alle glückliche und entspannende Wochen mit Sport, Tanz und Fachdiskussionen.
Sie fanden jeweils an wenig bekannten, etwas entlegnenen Ski-Orten und in bescheidenen Hotels statt.
Bei Einfinden und beim Eintragen ins Gästebuch notierte Hans Ziegler seine Präsenz mit :
Hans Ziegler, Mechaniker.
Promt notierte einer seiner Assistenten unter seiner Unterschrift:
Hilfsmechaniker

Sind Pferde intelligent? von Jürg Nänni

Hans war ein leidenschaftlicher Reiter und gab bisweilen auch Reitstunden in einer Halle in der Nähe bei Wallisellen. Manchmal war sein Auto im Service oder nicht verfügbar. In diesen Fällen fragte er seinen Oberassistenten, ob er ihn nicht chauffieren könnte. Ich hatte anfänglich etwas Hemmungen, denn ich besass das kleinste Auto der Welt, einen sogenannten «Tschinggenrucksack» (Fiat 500). Ich musste bei meiner Körperlänge jeweils das Dach öffnen, um in gestreckter Haltung bequem sitzen zu können. Hans war kleiner als ich und stieg ohne Kritik in mein Auto ein und redete über sein Hobby. Ich bemühte mich, mit Zwischengas zu schalten, um meine kostbare Fracht möglichst sanft um alle Kurven zu kriegen. Hans – bereits in Reithosen und Stiefel gekleidet – stieg aus, bedankte sich und fragte, ob mein nach seiner Meinung bequemes Auto ein Peugeot sei!!
Springreiten
Ich freute mich auf den Anblick meines Chefs auf einem schwarzen Araber, zunächst im Trab und dann im wilden Galopp. Weit gefehlt: Er zwickte mit der Geissel und trieb seine Schüler auf rechteckiger Bahn den Wänden entlang. Als grosse Ausnahme durften sie eine Diagonale reiten, um anschliessend den Umlaufsinn zu wechseln. Die Befehle, die er gab, habe ich teilweise vergessen, irgendwelche Buchstaben A, B, C usw. brüllte er, weil die Nachhallzeiten in dieser Halle relativ gross waren. Etwas Langweiligeres habe ich in all den Jahren nicht erlebt. Das soll jetzt eine Reitstunde mit dem berühmten Professor Ziegler gewesen sein? Es ist ja praktisch nichts gewesen. Die Pferde mussten anschliessend unter der Aufsicht von Hans in ihre Boxen geführt und gebürstet werden. Um ein Gespräch in Gang zu bringen, fragte ich Hans: «Welches ist das intelligenteste Pferd hier im Stall?» «Aber Jürg, bitte schön, Pferde sind doch nicht intelligent! Ihre einzige Aufgabe ist, dem Reiter zu gehorchen, mehr können und sollen sie nicht tun.» «Ja so ungefähr wie im Militär in Deiner Kompanie?» Es folgte eine längere Gesprächspause. Endlich sagte er wieder etwas: «Der Reiter muss die Eigenheiten seines Pferdes erfassen und dann mit ihm eine Einheit bilden, bis das Pferd quasi mit Begeisterung alle Befehle möglichst schnell und präzis ausführt.» «Begeisterung zeigen für eine Tätigkeit setzt doch eine gewisse Intelligenz voraus oder nicht?» «Komm wir fahren möglichst schnell an die ETH, dort muss ich nämlich noch eine Vorlesung halten.» Bei der Rückfahrt haben wir nicht mehr über Pferde gesprochen. Ich beschleunigte meinen Fiat Cinquecento etwas stärker und liess Hans die Zentripetalkräfte spüren.
Erinnerungsbilder aus den Skiferien

Von links nach rechts und von oben nach unten: 1. Findeln, unser Ferienort, 2. Erika und Hans, 3. Jürg Nänni, Uli Hauser, Regula Hauser Scheel-Ziegler, Christoph Wehrli, Jörg Grimm, 4. Hans Ziegler, 5. Rolf Zubler, Jörg Grimm, Hans Ziegler, 6. Regula Ziegler, 7. Hans Ziegler, 8. Beim Kartenspiel: Erika Ziegler und Jürg Nänni, 9. Hans Ziegler, Kalman Kovari, 10. Cornelia und Hans Ziegler, 11. Mahir Sayir, 12. Das fröhliche Paar Edna und Mahir aus der Türkei, 13. Unterwegs mit montierten Fellen, 14. Hans Ziegler, 15. Jürg schläft, 16. Jürg an der Tafel, 17. Jürg ist jetzt wach, 18. Der Fahrstil von Hans Ziegler ist präzis und sicher.

Ein Geschenk von Hans Brauchli

Hans Ziegler war immer sehr korrekt. Er hat aber – natürlicherweise – seine Mitmenschen nach seiner Meinung eingeschätzt. Einer, den er offensichtlich nicht leiden konnte, war sein Namensvetter Jean Ziegler. Bei irgendeiner Gelegenheit – vielleicht einem Geburtstag – wollte er seiner Sekretärin ein Geschenk machen. Er hat sie gefragt, was sie sich wünsche. Sie wollte das neueste Buch von Jean Ziegler. Er hat es für sie gekauft und es ihr mit der Bemerkung übergeben: «das ist ein in jeder Hinsicht billiges Geschenk!»

Schnäpsli

Schnaepslilied
Zum Lied «I mues es Schnäpsli ha» aus dem «Fortunagässler», dem inoffiziellen Liederbuch der Zürcher Singstudenten wurde von den Studenten folgende Zusatzstrophe gesungen:

5. Und komme ich ins Schlussdiplom,
so wird mich Ziegler fragen:
was willst du, 5, 6 oder 4?
Ich werde Schnäpsli sagen!

Ein Zieglerfest von Martin Markun

Gemütliches Beisammensein in den 70-er Jahren

Tatort Belvoir Rüschlikon
das grosse schöne weisse Haus
auf lieblich grünem Hügel
Über dem lächelnden See

von nah und fern sind sie geströmt
da strömt schon wieder einer -
reichhaltige Begrüssung mit fast geschlossenen Zähnen
und dem kleinen schlichten Lächeln
im festlichschmucken kühlen Raum
Geburtstag im Familienkabinett
wie geht's wie steht's lange nicht gesehn ja
was und du? Ist doch schön
sich vor eventuellen Totenfeiern
ausgiebig zu sehn zu parlieren
am schönen Frühlingstag wieder einmal
herzhaft zu schmausen im Verbund

korrekt der Anzug bei den Herren
die Damen sehr adrett gewandet
stark behangen und besprüht

das literarisch-poetische Forum ist eröffnet
die rührenden Verse von Erika Werner Elsbeth
liebevoll gezimmert launig vorgetragen
reim dich oder ich friss dich
es macht sich frohe Wärme breit
Heiterkeit auch beim Professor

der Weisswein glitzert
die Stimmung steigt
gar roher Verzicht auf Buntlichtbilder
Prösterchen und sehr zum Wöhlerchen

Filetfleisch ist zart und morsch
Gemüse allzu lang im Wasser
die Nudeln buttrig-schlüpfrig
am würzigen Cognacmorchelsösschen
heftiger Zuspruch von Söhnen Töchtern
Neffen und Kusinen
und wie immer: Doktor Vogel
es ist friedlich moderat
ausgewogen Dur-harmonisch
manch amüsante Histörchen
machen die breite Runde fast
überall gefasste
und entspannte Gesichter
ohne Tadel alles in Butter
wie die feinen Papardellen

Das Finale etwas schlaff
kein klingend Glas zu weitern Reden
murmelnd schläfrige Stille
nach süssem und bitterem Kaffee

dann ein Ruck
zum langen Abschied
letzte milde Dialoge
also dann bis gleich in ungefähr fünf Jahren
der Trennungsschmerz ist sehr
erträglich

Darf man nach einer Bekanntschaft von drei Monaten die Geliebte bereits heiraten? von Jürg Nänni

Hans engagierte sich für seine Freunde, das erfuhr ich vor allem in Amerika, aber auch in Zürich. Er konnte sehr persönliche Fragen stellen und wollte oft – wie ein Vater – die Verantwortung übernehmen. Als mein Vater starb, schrieb er mir einen langen Brief. Soviel Mitgefühl hatte ich nicht erwartet.
Hans und Erika beim Skifahren
Während eines Sabaticals in Amerika durfte ich an der ETH Hans Ziegler ersetzen und seine Vorlesungen halten. Ich sollte nach seinem Vorschlag sogar in seinem Haus wohnen. Er zeigte mir, wie die Heizung funktioniert und erlaubte mir, falls ich sein Haus hüten würde, seinen Flügel zu spielen und hie und da auch eine Flasche Wein aus seinem Keller zu holen. Ich musste irgendeine Ausrede finden, denn meine damalige Freundin konnte und wollte ich nicht in dieses Haus einladen. Ich sagte Hans, dass mein Steinway Flügel viel besser klinge. Hans und seine Freunde hatten nämlich früher bei einem Fest Whisky in seinen geöffneten Flügel gegossen. Der Resonanzboden war nach meiner Beurteilung beschädigt und der Klang war nicht mehr zu geniessen. An meinem Wohnort hatte ich ausserdem meine Freiheit und tatsächlich lernte ich während seiner Abwesenheit eine neue Freundin kennen, in die ich mich Hals über Kopf verliebte. Nach etwa zehn lustvollen Wochen fragte mich meine neue Geliebte, ob ich sie heiraten würde. «Ja morgen schon, sofort, wenn Du mich wirklich liebst». Also wurde unter Protest von verschiedenen Seiten geheiratet. Hans kam zurück aus USA, besuchte mich und hielt eine längere Standpauke: «Man heiratet doch erst, wenn man sich richtig kennt und das dauert seine Zeit! Du kannst doch nicht einfach so verantwortungslos über dein Schicksal verfügen, das geht doch nicht. Ein Beispiel: Erika und ich haben vier Jahre gebraucht, um uns richtig kennen zu lernen, Belastungsproben auszuhalten und alle Konsequenzen des Zusammenlebens zu besprechen. Erst anschliessend haben wir geheiratet.» «Bei uns war das ganz anders, Hans: Nach vier Wochen hatten wir das Gefühl, uns schon vier Jahre zu kennen. Wir haben getestet, belastet (ich wog damals nur 59 Kilo) und dann genau wie Erika und du die Konsequenzen gezogen. Wo ist da der Unterschied?» Der erste Besuch von Erika und Hans bei uns war herzlich und lustig, wir haben gefeiert, viel getrunken, gelacht und getanzt. Ich erinnere mich an viele Details, weil Hans sehr gut tanzen konnte, viel besser als ich. Meine Frau Silvia war übrigens eine Ballettänzerin und konnte mit Hans endlich einmal ihre wilden Drehungen und Sprünge machen, bis unsere Nachbarn wegen Nachtruhestörung dem bunten Treiben ein Ende setzten. Typische Schweizer würden in solchen Fällen sogar die Polizei alarmieren.

Hauptmann Hans Ziegler als Reiter in der Offiziers-Reitgesellschaft Zürich (ORG) von Hans Geiger

Hauptmann Hans Ziegler war in den 1960er und 70er Jahren ein bestimmendes Mitglied der ORG. Er gehörte zum festen Bestand der Artillerieoffiziere – der fahrenden Artillerie. Eine enorme Reiterfahrung, nicht zuletzt infolge des erlebten Aktivdienstes, zeichnete diese Generation aus.
Brief von H. Ziegler an Oblt. Ernst Eggenberger
Erste Zeugnisse aus dem heutigen Kreis der ORG gehen zurück ins Jahr 1944. Damals bestand Major Ernst Dünner bei Hans Ziegler, dem ordentlichen Professor für Mechanik an der ETH Zürich, die Vordiplomprüfung.
Rund 10 Jahre später bat Ernst Dünner Hans Ziegler um Berechnungen zur Energiespeicherung von Schwungrädern im Fahrzeugbau. Ernst Dünner lernte in späteren Jahren Hauptmann Ziegler auch als Kollege in der Offiziers-Reitgesellschaft kennen. Er schildert ihn als einen Reiter, der seinen jüngeren Kollegen die konsequente Einhaltung der «Disziplin der alten Garde» beibrachte, ohne dabei je schulmeisterlich zu wirken. Auch andere ehemalige Studenten, beispielsweise Oberst Ulrich Stüssi, welcher zwischen 1970 und 1975 Assistent und Doktorand von Hans Ziegler war, wurden zu Kollegen, welche ihrem akademischen Lehrer hohe Achtung entgegen brachten. Ulrich Stüssi erinnert sich, dass sein Professor seine Vorlesungen jeweils am Dienstag – das war sein Reittag – in den Reithosen hielt. Als Assistent nahm er auch gelegentlich an Geburtstagsessen und Skilagern seines Professors teil.
Hauptmann Rudolf W. Jaeggi berichtet, dass Hans Ziegler und die Artillerieoffiziere in den 70er Jahren in der ORG den Ton angaben. «Nicht-rote» Offiziere waren geduldet, manchmal sogar geschätzt, wobei Ärzte und Tierärzte eine besondere Anerkennung erfahren durften. Hauptmann Rudolf W. Jaeggi schildert Hans Ziegler als einen zurückhaltenden, bescheidenen und von einer diskreten Freundlichkeit geprägten, ausgezeichneten Reiter. Er war zudem ein hervorragender Klassenchef. Im Winterkurs 1973, als sich die ORG von ihrem Reitlehrer trennte und die Bundespferde nochmals von Bern in die Reitbahn Wallisellen kamen, gehörte Hans Ziegler zu den Offizieren, die an einem festen Abend als Reitlehrer während zwei Stunden die Anleitung und Instruktion der Klassen übernahmen und so für einige Monate das Vakuum des fehlenden Instruktors überbrückten. Hans Ziegler erledigte diese Aufgabe perfekt und professionell, wie es von einem Hochschullehrer zu erwarten war, dem der Ruf eines strengen, exakten Professors für Mechanik vorausging. Kurz, Hans Ziegler war ein Seigneur, der jedoch nach dem Reiten bei Bier und Cervelat nicht fehlte. Damals dachte man noch nicht an warmes Essen und Wein.

Aus dieser Zeit stammt auch der Brief vom 18. Juli 1978, den Hans Ziegler aus den USA an den Vorstand der Reitbahngenossenschaft, die auch heute noch den Reitbetrieb in Dielsdorf betreut, sandte. Er war «richtig erschüttert», dass man den alten Grundsatz des wöchentlichen Ruhetags für Pferde aufgeben wollte. Dieser Brief belegt besser als manche Erzählung die grosse Liebe zu den Pferden und die hohen Ansprüche, welche den Reiter und Offizier Hans Ziegler auszeichneten.
Dielsdorf, im Juni 2011, Hptm. Hans Geiger, Vizepräsident der ORG Zürich

Hans Ziegler in Gesellschaft

Von links nach rechts und von oben nach unten: 1. Hans Ziegler als junger Kavallerist, 2. Erika und Hans, 3. Offiziersreitgesellschaft, 4. Tanz mit Erika, 5. Ein Professorenbummel mit Prof. Grammel, 6. Prof. Richard Grammel, 7. In Ossingen 1934 mit Vater Armin Ziegler, 8. Im Institut 1938, 9. Prof. Bruno Thürlimann, Erika und Hans Ziegler, 10. Erika, Christoph Wehrli, Julia Brauchli, Jürg Nänni, 11. Cornelia Ziegler, 12. Carl de Silva, Silvia Nänni, Hans Ziegler, 13. Hans und Erika Ziegler, 14. Ehepaare Leissa und Ziegler in Colorado, 15. Hans Ziegler hört zu, Edna Sahir fragt, 16. Hans Ziegler der Charmeur zwischen Käthi Kovari und Mariann Wehrli, ganz rechts Erika Ziegler.

Erinnerungen von Ursula Franzina

Das Haus von Tante Erika und Onkel Hans lag in der Höhe in Rüschlikon mit einer Aussicht auf den Zürichsee und einem wunderschönen Garten.

Wir waren oft mit unserer Mutter oder Grossmutter, oder mit beiden dort zum Tee eingeladen. Ich erinnere mich der feinen Crèmes mit Beeren aus dem Garten, samt Kuchen. Wenn Tante Erika uns fragte, ob wir noch eine zweite Portion wollten, bekamen wir einen kleinen aber sehr bestimmten Tritt unter dem Tisch von meiner Mutter. Das hiess, wir sollten : «Nein danke» sagen, «wir seien satt.» Rägi trug dann die halbvollen Schüsseln in die Küche und wir malten uns wehmütig aus, wie sie den Rest auslöffelte.

Wenn die Autorität unseres Mueti nicht mehr ausreichte, das heisst, wenn sie mit der Erziehung nicht mehr aus und ein wusste, kam Onkel Hans aus Rüschlikon.
Ich war 19 Jahre jung, meine Verlobung mit einem Künstler (Musiker und Maler) galt in der Ziegler Familie als Katastrophe. Onkel Hans hat mir lange und ernst ins Gewissen geredet. Aber ich war damals trotzig und mitten in einer «Existenzialisten-Phase». So fand die Verlobung trotzdem auf einem Flossteg am Zürichsee statt.

Als junges Mädchen befand ich mich einmal im Zug. Es sassen da auch einige Studenten und wir kamen ins Gespräch. Auch Onkel Hans, der Professor an der berühmten ETH, auf den ich sehr stolz war, wurde thematisiert. Das Echo der Studenten war aber betretene Stille.

Ich war erst kurz mit Mario verheiratet. Wir hatten einen Lebensmittelladen. Da kam meine Mutter mit Onkel Hans auf Besuch. Es war leider sein erstes und letztes Treffen mit uns. Nach einer kurzen Begrüssung verlangte er einen Schraubenzieher, um sämtliche schiefstehenden Steckdosen ins Lot zu rücken.

Ich hatte stets grossen Respekt vor Onkel Hans, er war autoritär, gelehrt und diszipliniert. Er konnte sprechen, ohne den Mund zu bewegen und sein seltenes Lächeln war stets nur vage angedeutet.

Bäckerkleidung und ideale Kreise von Jürg Nänni

Hans Ziegler hat in meiner Studentenzeit jeweils um 7:00 Uhr zu lesen begonnen. Als Werkstudent arbeitete ich nachts auf der Sihlpost und kam regelmässig zu spät zur Vorlesung. Im Auditorium Maximum konnte man auf die Empore schleichen. H.Z. hat beim kleinsten Geräusch die Vorlesung unterbrochen und nach dem Störenfried geäugt. Als Strafe - er hat mich damals noch nicht mit Namen gekannt - musste ich zweimal seine Vorlesung verlassen, schlich mich jedoch bei der nächsten Türe sofort wieder ins Auditorium und belegte sicherheitshalber einen Platz hinter einer Säule.
perfekte Kreise
H.Z. hatte im Sommer jeweils einen schwarz weiss karierten Anzug - die sogenannte Bäckerkleidung, wie wir sie nannten - getragen, mit einem passenden Schlipps dazu. Ich weiss, dass er selbst die elementaren Vorlesungen eine halbe Stunde lang vor Beginn mit höchster Konzentration durchgedacht hat. Kein anderer ETH-Professor hatte diese Gewohnheit. Seine Sätze waren druckreif, seine Tafeldarstellung meisterhaft. Wenn er einen Kreis von Hand zeichnete, hatte er stets die Ideallinie getroffen. Die Ingenieure haben stets ehrfurchtsvoll gestaunt, die meisten Physiker (ich möchte mich ausnehmen) haben ihn jedoch belächelt, sie fanden die Vorlesung langweilig und sie haben schliesslich sogar eine eigene Mechanikvorlesung erzwungen - ohne perfekte Kreise, jedoch mit Skizzen von Problemanalysen, bei denen H.Z. alle Haare zu Berg standen. Die Abspaltung der Abteilung für Mathematik und Physik hat H.Z. nie überwunden.

Erinnerungen von Regula Moos

Meine Erinnerungen an deine Eltern gehen bekanntlich auf den Beginn unserer Freundschaft ganz am Anfang unserer Primarschulzeit zurück und sind demzufolge vielfach eher kindlicher/kindischer Natur; sie betreffen Augenblicke, Anekdoten.

Erika war immer liebenswürdig und herzlich, aber vielleicht etwas distanziert; sie hat sich nie in unsere Spiele eingemischt. Bei ihr fühlte ich mich - schüchtern wie ich war - sicher.

Hans hingegen, vor allem sein Status als «Professor» hat mir Respekt eingeflösst. Mein Vater war ja nur ein «dipl. Ing. ETH», was mir vergleichsweise sehr schäbig vorkam, «dipl.» tönte für mich irgendwie wie «simpel» – furchtbar! Ich habe darüber nie mit jemandem gesprochen... Auch der Umstand, dass Hans immer in seinem Studierzimmer mit «Höherem» beschäftigt war und wir ihn selten zu Gesicht bekamen und er zudem seinen eigenen Humor – für mich ziemlich unverständlich – hatte, liessen mich vor Ehrfurcht erstarren.

Hier muss ich nun wieder meine «Ziegler-Standards» aufwärmen.

Zuerst die professorale «Globi»-Hose samt «Fliege», dann das Vorbeischleichen im Garten vor den Fenstern seines Studierzimmers; der Hund Alex, im Kissenanzug auf den Sonntagsausflügen im DKW, unsere Telephonsgespräche, die mittels Eieruhr auf drei Minuten limitiert wurden und meine Angst, beim Anrufen den gefürchteten Professor aufzuscheuchen... Ich habe aber noch andere Anektötli auf Lager, die ich von meiner Freundin Regula bloss vom «Hörensagen» kenne: Es hat mir Eindruck gemacht, dass Regula schon als kleines Mädchen mit lockigem Haar und Zöpfen ihre «Bubenzeukli» mit einem seriösen Spängeli bannen musste. Auch ihre Mutter Erika wurde angeblich angehalten, bei einem Abendkleid das Decolleté mit einem keuschen Einsatz zu verbergen.

Ich sehe Regula noch in der 3. Klasse hinten im Klassenzimmer zu ihrem Vater, der als Schulpfleger da sass, gehen, damit er ihr die Knöpfe zur Schürze eintat. Sie war sehr stolz!
Ihr Vater war aber angeblich eher ungnädig mit den Lehrern, sei er doch dagegen gewesen, dass Polsterstühle ins Lehrerzimmer gestellt wurden...

Von ihrem Zimmer aus hast mir meine Freundin ab und zu einen indiskreten Blick ins professorale Schlafzimmer ermöglicht und mir anvertraut, wie es da töne,wenn der Haussegen schief hing: nämlich ein fluchender Vater und eine friedlich brummelnde Mutter, die sich dann beide glücklicherweise immer wieder gefunden haben...

Erika und Hans Ziegler

Eindruck haben mir auch die Zieglerschen Familientraditionen gemacht: Die Klassikausgaben für die Kinder; die Hausmusik (bei der sich Regula sehr hervorgetan und sich ins Herz ihres Vaters gegeigt hast). Da war aber auch eine gewisse militärische Zucht spürbar, die sich bis ins Umschneidern von Militärklamotten in Kinderkleider (vermutlich Skihosen ) manifestierte. Einmal durfte ich mit Regula und ihren Eltern nach Winterthur ins Konzert gehen. Anschliessend haben wir im Kasino etwas getrunken und Hans hat mit einem flüchtigen Blick auf die Rechnung der Serviertochter das Total genannt.

Regula hat mir die Studentenmütze ihres Vaters gezeigt mit dem Namen «Rägi» drin, was offenbar bedeutete, dass dieser Name nach einer alten Flamme von Hans gewählt wurde. Die Eltern haben in regelmässigen Abständen Abmagerungskuren zusammen mit dem berühmten (sehr rundlichen) Ernährungsforscher Dr. Somogy («Schlanksein beginnt mit einem Apfel») und seiner Frau durchgeführt, um dann hinterher – was Regula sehr amüsierte – erst recht wieder auf die Pauke zu hauen. Als Regula als junges Mädchen – mutig und dem damaligen Trend folgend – in einem Kibbuz arbeiten wollte, war die Antwort deines Vaters eindeutig: NEIN, dann schon lieber FHD!

Erika soll die Angewohnheit gehabt haben, bei Einladungen immer zu wenig zu kochen und dann erstaunt gewesen zu sein, dass dennoch Reste übrigblieben, weil niemand aufzuessen sich getraute.

Als Regulas Eltern uns einmal auf die Lenzerheide besuchten (mit dem grossväterlichen Auto?), hat sich in Chur offenbar folgende Szene abgespielt: Vor einem Rotlicht hat jemand Hans Ziegler gefragt: «Sie, was isch das für es Auto?» Antwort: «Sie, das isch en Dodge». «Und sie sind au en Totsch» kam es zurück. Hans hat über diesen Vorfall herzlich gelacht.

Noch etwas Geheimnisvolles spielte sich in der professoralen Familie ab: die regelmässigen Sabbaticas. Da verreisten alle für ein Jahr nach Amerika – was für ein Leben! Ich kam mir wieder einmal sehr kleinbürgerlich vor.
Beide, Erika und Hans waren für mich sehr wichtige – wenn auch relativ abgehobene Figuren meiner Kindheit und beide sind mir mit zunehmendem Alter (und Weisheit!) immer näher gekommen.
Ich werde nie vergessen, wie Erika mich in meinem französischen Salon anlässlich der Hochzeit von Regula und Uli im Schloss Port Lesney angestrahlt und gesagt hat, wie glücklich sie sei, dass sie mein neues Zuhause sehen durfte.

Amerika - Verpflichtung und Humor von Jürg Nänni

In meiner Zeit am Institut für Mechanik war ich mit Hans und Erika befreundet. Über den speziellen feinsinnigen Humor von Hans könnte man einen längeren Aufsatz schreiben.
Hans Zieglers Blockhütte in Colorado
Ich traf ihn in Amerika und konnte feststellen, dass er in seinen USA-Vorlesungen stets herzhaft lachte und mit den Studierenden einen unterhaltsamen Dialog führte, ihnen Witze erzählte. Er war Gast in diesem Land und war frei von tiefgreifenden Verpflichtungen. In der Schweiz war das Gegenteil der Fall. Ich fragte Hans bei einem Glas Whisky, ob er eine Erklärung für sein bivalentes Verhalten hätte. Er erzählte mir seine Lebensgeschichte. Viel zu jung, viel zu früh musste er hauptamtlicher Dozent sein, Hauptmann im Militär spielen, ein grosser Forscher sein, usw. Er war zu früh im vordersten Glied und hatte dieses Rollenspiel gar nicht gewollt und nicht eingeübt. Sein Charakter, seine Ernsthaftigkeit haben die äusserliche Strenge evoziert und den angeborenen Schalk verdrängt. In Amerika schliesslich war alles anders und lief nicht genau nach Plan. Die geliebte englische Sprache hat zusätzlich «alles aufgelockert» und die preussische Strenge verdrängt. Hans war ausserdem Gast in diesem Land und trug nicht die Verantwortung für alle Folgen seines Tuns.

Jürg, aus was besteht eigentlich dein Morgenessen? von Jürg Nänni

Ich war während einigen Jahren Assistent in allen mündlichen Prüfungen von Hans Ziegler. Er war, wie er mehrmals betonte, sehr zufrieden mit mir: Ich habe stets fleissig studiert, wusste relativ viel, ich war, abgesehen von der stets fehlenden Krawatte, anständig gekleidet, sauber gewaschen, hatte gepflegte oder in anderen Worten kurze Haare, war zuverlässig, pünktlich und loyal, hatte keinen Mundgeruch, weil ich regelmässig die Zähne putzte und ich verhielt mich vor allem respektvoll und korrekt im Umgang mit Vorgesetzten, wie es mir mein Vater beigebracht hatte.

Eines Morgens während den Frühjahrsprüfungen schnauzte er mich in der ersten Zwischenpause an und fragte:
«Was isst Du eigentlich zum Frühstück?»
Ich erschrak, errötete wahrscheinlich, überlegte und sagte: «Birchermüsli mit Milchkaffe».
«Und was noch?»
«Manchmal eine Scheibe Vollkornbrot.»
«Kann doch nicht die Wahrheit sein, Jürg, heute hast Du Knoblauch gegessen, du riechst ja fürchterlich nach Knoblauch, mein ganzes Zimmer stinkt nach Knoblauch, so kann ich doch nicht prüfen!»
«Entschuldigung, Hans.»
Dieser Tonfall war mir fremd, seit mein Vater gestorben war. Ich verzog mich wie ein geschlagener Hund mit eingezogenem Schwanz und klagte diese unerklärlichen Anschuldigungen meiner Frau Silvia. Sie beschnüffelte mich von Kopf bis Fuss und bestätigte: «Tatsächlich, etwas stinkt ein wenig, besonders unten.»
«Meine Füsse, meinst Du?».
«Ziehe mal deine Schuhe aus und gib mir deine Socken.»
Sie schnüffelte wieder sehr gründlich und sagte: «Die Socken sind es nicht.»
Anschliessend untersuchte sie einen Schuh. «Der glänzt ja, als ob ich ihn heute morgen geputzt hätte.»
Dann drehte sie ihn um – die Sohle roch ein wenig nach Knoblauch.
«Gestern abend spät haben wir doch einen Spaziergang im Wald gemacht, das könnte die Ursache sein.»
Also los in den Wald! Der Boden war dicht bewachsen mit Bärlauchgewächsen, beim unserem Rennen durch den dunklen Wald entstanden Schleifspuren, die zerquetschten Blätter hafteten vorübergehend an meinen Gummisohlen. Zuhause verbreitete sich der Knoblauchduft nicht, denn die Schuhe wurden stets auf dem Balkon gelagert. In der Nacht konnte ich endlich das Rätsel lösen: Das Zimmer von Hans war mit einem speziellen Gummibelag versehen. Die zerquetschten Blätter hafteten an diesem Belag besser als an meinen Sohlen. Es entsteht ein elektrisches Feld zwischen dem ETH-Bodenbelag und den Pflanzenresten. An beiden Oberflächen entstehen Dipole, welche die elektrische Anziehung erklären. Die Schuhsohlen hingegen bleiben ladungsneutral. In der ersten Prüfungsstunde lief ich nämlich andauernd zwischen der Tafel und dem Schreibtisch hin und her, bis praktisch alle Bärlauchreste, fein verteilt, auf dem Boden des Prüfungszimmers hafteten und nun den Gestank grossflächig verbreiten konnten. Als ich Hans wieder begegnete, war sein Zimmer durch die amtlichen Raumpflegerinnen gereinigt, der Geruch war leider beseitigt. Ich erzählte Hans meine Theorie. Er schaute mich ungläubig an, bückte sich zum Boden, schnüffelte, schüttelte den Kopf und sagte:
«Wenigstens hast Du heute morgen keinen Knoblauch mehr gegessen.»

In den folgenden Jahren habe ich oft die Erfahrung gemacht, dass Hans kein Freund von komplizierten Theorien war und den experimentellen Überlegungen der Physiker generell misstraute. Hans war andererseits nicht nachtragend, er hat jedoch bestimmt in meinen Akten (Fichen) notiert, dass ich nicht ehrlich sei, wenn es um Knoblauch gehe. Andererseits wusste er ja, dass mein Vater aus einer Bauernfamilie stammt und dass bei denen, einem alten Aberglauben frönend, Knoblauchzöpfe in den Stuben und Hausgängen hängen. Hans hat auch den Polanskifilm «Tanz der Vampire» gesehen und deshalb für die Nachkommen von armen Landwirten einen gewissen Ermessensspielraum eingeräumt, wenn es um Knoblauchfragen ging. Wir wurden wieder Freunde, haben jedoch das Reizwort «Knoblauch» in allen folgenden Jahren nie mehr verwendet. Und wenn Hans bei uns war, habe ich Silvia verboten, die Gerichte mit Knoblauch zu würzen.

Welche Schuhnummer tragen Sie eigentlich, Herr Kollege? von Jürg Nänni

Hans Ziegler hat mir diese Anektote dreimal erzählt und jedesmal selber herzhaft gelacht. Ich erzähle sie hier, nicht um den Kollegen F.B. zu beleidigen, sondern um den speziellen Humor Hans Zieglers mit einem Beispiel zu belegen:

Der Kollege F.B. war seit 1965 ordentlicher Professor für Bodenmechanik am Institut für Geotechnik. Er wurde von Hans Ziegler als Korreferent einer von ihm geleiteten Dissertation angefragt. F.B. hat ohne Bedenken zugesagt. Fachgespräche über Mechanik sind bei solchen gemeinsamen Tätigkeiten, einem Kandidaten den Königsweg zur Doktorwürde anzudeuten, kaum zu vermeiden. Nun muss man wissen, dass Hans Ziegler die Grundlagen der Naturwissenschaften Zeit seines Lebens mit Akribie pflegte und Begriffsverwirrungen unter keinen Umständen duldete, auch nicht von Kollegen! Ein Impuls ist nun mal nicht dasselbe wie eine Geschwindigkeit, eine Geschwindigkeit ist keine Schnelligkeit, eine Schnelligkeit kein Impulsmoment, ein Impulsmoment ist kein Kraftmoment, ein Kraftmoment keine Energie, eine Energie keine Leistung, eine Leistung keine Arbeit und so weiter und so fort.

Das Gesicht Hans Zieglers verdunkelte sich stets, wenn sein Gesprächspartner die Grundlagen nicht beherrschte. Es spielte keine Rolle, ob sein Gegenüber ein Student, ein Assistent, ein ordentlicher oder ein ausserordentlicher Dozent war. Der Kollege F.B. ist leider mehrmals über diesen Stein des Anstosses gestolpert, bis Hans Ziegler eines Tages die Entscheidung traf, F.B. niemals mehr in ein Fachgespräch zu verwickeln. Die Begegnungen zwischen Professoren waren einerseits unausweichlich und F.B war andererseits sehr gesprächig. Hans Ziegler musste einen Ausweg finden, musterte seinen im Geiste etwas verwirrten Kollegen von Kopf bis Fuss, bis sein Blick auf das enorm lange Schuhwerk der Grösse 48 fiel.
«Welche Schuhnummer tragen Sie eigentlich ?», fragte Hans Ziegler von nun an bei jedem sich anbahnenden Gespräch. Nun war F.B. im Zugzwang und musste jedesmal nach neuen Begründungen und Entschuldigungen für seine abnorme Erscheinung suchen.
Weshalb darf eigentlich ein einsamer Strassenbauspezialist nicht riesige Latschen haben?

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